>> Pro Pflege – Selbsthilfenetzwerk <<
Pressemitteilung vom 06.05.2012

Palliativversorgung und -betreuung im Rhein-Kreis Neuss (und darüber hinaus)

Das Johanna-Etienne-Krankenhaus in Neuss hat am 06.05.2012 öffentlich darüber informiert, dass die weitere Finanzierung der seit Jahren bestehenden Palliativstation gefährdet sei. Dazu hat Werner Schell für Pro Pflege – Selbsthilfenetzwerk wie folgt Stellung genommen:

Pro Pflege – Selbsthilfenetzwerk tritt für den uneingeschränkten Erhalt der Palliativstation am Johanna-Etienne-Krankenhaus ein und plädiert dafür, dass die bereits vorhandenen Palliativpflegebetten in die Landeskrankenhausplanung NRW aufgenommen werden. Damit wäre eine dauerhafte Finanzierung dieser Pflegebetten gewährleistet.

Eine gleichlautende Aussage wird auch für die Palliativstation am Krankenhaus in Dormagen-Hackenbroich abgegeben. Auch dort muss die Unterstützung für schwerstkranke und sterbende Menschen in der vorhandenen Struktur ohne Abstriche erhalten bleiben.

Davon unabhängig wird dafür plädiert, die Versorgung und Betreuung der schwerkranken und sterbenden Menschen im Rhein-Kreis Neuss insgesamt auf den Prüfstand zu stellen und dabei zu hinterfragen, ob und inwieweit die Versorgungsstrukturen jetzt und in naher Zukunft ausreichen.

Es muss nach hiesiger Überzeugung hinterfragt werden, ob genügend Kapazitäten in den entsprechenden Bereichen vorgehalten werden:

  • Gibt es genügend Ärzte und Fachärzte, die entsprechend fort- und weitergebildet sind, um die hausärztliche Versorgung (einschließlich der Heime) insoweit sicher zu stellen?
  • Sind genügend ambulante Hospizdienste bzw. ambulante Palliativpflegedienste verfügbar?
  • Ist der seit 2007 bestehende Anspruch auf die „Spezialisierte Ambulante Palliativversorgung“ (SAPV) kreisweit ausreichend gewährleistet?
  • In welchem Umfang müssen stationäre Hospize und stationäre Palliativstationen vorgehalten werden?
  • Gibt es ausreichend palliativmedizinische Konsiliardienste?
  • Stehen den stationären Pflegeeinrichtungen genügend qualifizierte Palliativpflegekräfte zur Verfügung oder sind Nachqualifizierungen geboten?
  • Inwieweit müssen entsprechende Betreuungsangebote - ambulant oder stationär – für Kinder vorgehalten werden?
Palliativbetreuung dient der Verbesserung der Lebensqualität von Patienten und ihren Familien, die mit einer lebensbedrohlichen Erkrankung konfrontiert sind. Das geschieht durch Vorbeugung und Lindern von Leiden mittels frühzeitiger Erkennung, hochqualifizierter Beurteilung und Behandlung von Schmerzen und anderen Problemen psychischer, psychosozialer und spiritueller Natur“.
Quelle: WHO, zitiert von Borasio „Über das Sterben“, C.H. Beck, 2012

Bei einer Gesamtbetrachtung der Versorgungsstruktur wird voraussichtlich deutlich gemacht werden (müssen), dass die entsprechenden Angebote im Rhein-Kreis Neuss - trotz großartiger Bemühungen verschiedener Einzelpersonen und Institutionen - nicht ausreichend sind und weiter ausgebaut werden müssen. In diesem Zusammenhang wird es möglicherweise Sinn machen, ergänzend zu den bereits vorhandenen Palliativpflegebetten (in Neuss und Dormagen) weitere Angebote im Lukaskrankenhaus Neuss und im Kreiskrankenhaus St. Elisabeth in Grevenbroich zu schaffen.

Besondere Aufmerksamkeit verdient hier und heute die Pressemitteilung der Bundesärztekammer vom 04.05.2012 zur „Palliativversorgung in Deutschland“. Dort ist u.a. ausgeführt:

„Wir brauchen in Deutschland dringend mehr Palliativstationen und Hospize für die Versorgung sterbenskranker Menschen. In den vergangenen Jahren hat es in diesem Bereich zwar große Fortschritte gegeben, doch noch immer werden viele der schwerstkranken und sterbenden Menschen von den Angeboten nicht erreicht.“

Dabei wird ausdrücklich auf die „Charta zur Betreuung schwerstkranker und sterbender Menschen in Deutschland“ Bezug genommen. In ihr ist klar und unmissverständlich ausgeführt:

„Jeder Mensch hat ein Recht auf ein Sterben unter würdigen Bedingungen.“

Der 10. Deutsche Seniorentag in Hamburg hat sich am 04.05.2012 umfassend mit den Lebensbedingungen der älteren Menschen befasst und in einer Presseerklärung vom 05.05.2012 u.a. herausgestellt:

„JA zu einem würdevollen Sterben
Ein ´Ja zum Alter!` schließt die Auseinandersetzung mit dem Lebensende ein. Das Sterben gehört zum Leben. Es aus dem eigenen Leben zu verdrängen, verhindert auch einen achtungsvollen Umgang mit dem Sterben anderer.
Eine aktive Sterbehilfe lehnen wir ab. Die Bereitschaft, Schwerkranken und Sterbenden, aber auch deren Angehörigen beizustehen, ist zu unterstützen. Die Förderung dieses – häufig ehrenamtlichen – Dienstes muss intensiviert werden, z.B. durch Qualifizierung, Hilfestellung und Begleitung. Deshalb sind Palliativmedizin und Palliativpflege flächendeckend auszubauen, ebenso die Hospizdienste.“

In ihrer Ansprache auf dem 10. Deutschen Seniorentag am 04.05.2012 bekundete Bundeskanzlerin, Frau Angela Merkel, die Bedeutung der politischen Teilhabe der Seniorinnen und Senioren:

„Sie diskutieren über zentrale Felder unserer Gesellschaft. Und dass Sie das so selbstbewusst tun, ‚JA zum Alter‘ sagen – aber auch zur Einmischung, zum Mitreden, zum Engagement, ist unendlich wichtig für uns.“

Im Sinne dieser Aufmunterung durch die Bundeskanzlerin ist unser Statement zu verstehen. Ergänzend wird beim Pflegetreff am 15.05.2012 in Neuss-Erfttal eine Unterschriftenliste zur Zeichnung vorliegen. Damit soll ergänzend zu den anderen Bemühungen um gute Palliativbetreuungskonzepte eine weitere Möglichkeit zur Wortmeldung geschaffen werden. Nach dem Pflegetreff wird die Unterschriftenliste mit einem entsprechenden Anschreiben dem Gesundheits- und Pflegeministerium bzw. dem Landtag NRW vorgelegt.

Pro Pflege - Selbsthilfenetzwerk möchte durch diese Aktion die bereits öffentlich gemachte Petition, die sich allerdings nur auf die Palliativstation im Johanna-Etienne-Krankenhaus bezieht, unterstützen. Es wird zu einer breiteren Diskussion angeregt!

Möglicherweise wird es Sinn machen, für das Land Nordrhein-Westfalen ein aktuelles Rahmenkonzept zur „Begleitung und Versorgung Schwerstkranker und Sterbender sowie ihrer Angehörigen“ (ähnlich einer Konzeption aus Bayern vom November 2011) zu erstellen bzw. einzufordern.

Bei einem solchen Konzept müssen die Bedürfnisse der pflegebedürftigen Menschen in den stationären Pflegeeinrichtungen besondere Berücksichtigung finden. Dazu hat der Deutsche Hospiz- und PalliativVerband e.V. (Berlin) in einer Pressemitteilung vom 25.04.2012 getitelt: „Hospizhaltung und Palliativkompetenz müssen in Pflegeeinrichtungen selbstverständlich werden“ und zum 3. MDS-Pflege-Qualitätsbericht 2012 u.a. ausgeführt:

Viele Pflegeeinrichtungen sind noch immer nicht ausreichend auf den Umgang mit an Demenz erkrankten Bewohnerinnen und Bewohnern vorbereitet. Und auch der Umgang mit Schmerzen ist dringend verbesserungsbedürftig, wenn man bedenkt, dass nur wenig mehr als die Hälfte der Bewohnerinnen und Bewohner, bei denen das erforderlich wäre, eine systematische Schmerzeinschätzung erhalten. Diese ist aber eine wesentliche Voraussetzung für eine angemessene palliative Therapie. „Es ist unser Anliegen, dass das Leben bis zum Lebensende lebenswert bleibt. Keiner soll angstvoll an seine letzte Lebenszeit im Pflegeheim denken“, …

Werner Schell
Dozent für Pflegerecht, Vorstand von Pro Pflege – Selbsthilfenetzwerk

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Die vorstehende Pressemitteilung ist zur Veröffentlichung frei
und steht hier als pdf-Datei zur Verfügung