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Pressemitteilung vom 21.05.2012

Neuausrichtung der Pflegeversicherung – grundlegende Korrekturen sind geboten

Ohne eine ausreichende Stärkung der Rechte der pflegenden Angehörigen und Behebung des Pflegenotstandes durch mehr professionell pflegendes Personal werden sich die Pflegemängel nicht minimieren lassen

Pro Pflege – Selbsthilfenetzwerk hatte zum 16. Pflegetreff am 15.05.2012 nach Neuss-Erfttal eingeladen. Als Gäste konnten zahlreiche Pflegefachkräfte und interessierte BürgerInnen begrüßt werden. Es ging diesmal im Wesentlichen um den Gesetzentwurf zur „Neuausrichtung der Pflegeversicherung“

Werner Schell, Vorstand von Pro Pflege – Selbsthilfenetzwerk, hatte für dieses Thema hochkarätige Referenten für die Veranstaltung gewinnen können:

Willi Zylajew, MdB und pflegepolitischer Sprecher der Union im Deutschen Bundestag, Hilde Mattheis, MdB und stv. Sprecherin der Arbeitsgruppe Gesundheit der SPD- Bundestagsfraktion sowie Berichterstatterin für die Bereiche Pflege, Psychiatrie, Armut und Gesundheit der SPD-Bundestagsfraktion und Regina Schmidt-Zadel, Mitglied des Bundestages (SPD) a.D., stellvertretende Vorsitzende der Alzheimer-Gesellschaft NRW. Darüber hinaus war Manfred Steiner, Ltd. Dipl. Sozialpädagoge, gekommen, der in einem Kurzstatement über die Dienstleistungen von BEKO Demenz- Beratung und Koordination, Neuss, informierte. Brigitte Bührlen, 1. Vorsitzende von „WIR Stiftung pflegender Angehöriger“ (München) sowie Mitglied im Münchener „Forum Pflege aktuell“ und bei „Pro Pflege – Selbsthilfenetzwerk“, war zur Unterstützung aus München angereist und hatte die Aufgabe eines Abschlussstatements übernommen. Anwesend war auch Dr. med. Hermann-Josef Verfürth (bereits beim Pflegetreff am 20.04.2011 als Hausarztvertreter auf dem Podium) mit der ausdrücklichen Bekundung, Pro Pflege – Selbsthilfenetzwerk und seinen Vorstand unterstützen zu wollen. Zum Auftakt in die Erörterungen beim Pflegetreff gab es ein Grußwort von Dr. Jörg Geerlings, der u.a. die hervorragende Arbeit von Pro Pflege – Selbsthilfenetzwerk herausstellte und dafür Dank und Anerkennung aussprach.

Die Statements der Referenten und die sich daran anschließend ergebenden Diskussionen griffen das Pflegetreffthema in unterschiedlicher Weise auf. Zusammengefasst und ohne Anspruch auf Vollständigkeit kann insoweit folgender Überblick gegeben werden:

Willi Zylajew stellte in groben Zügen die Gesetzesinitiative der Regierungskoalition vor und erläuterte die geplanten wesentlichen Veränderungen. Dabei wurde u.a. verdeutlicht, dass die demenzkranken Menschen durch die Erweiterung von Leistungsansprüchen profitieren sollen. Der Pflegebedürftigkeitsbegriff werde dann in einem zweiten Schritt neu formuliert. Willi Zylajew äußerte die Auffassung, dass er sich angesichts der kritischen Äußerungen zur Gesetzesinitiative auch mehr habe vorstellen können. Aber dafür müsse man erst einmal eine Mehrheit finden. Diese sei im Moment leider nicht erkennbar; denn die Arbeitgeber und die Versicherten würden einer Erhöhung des Beitragssatzes für die Pflegeversicherung wohl eher nicht zustimmen.

Hilde Mattheis kritisierte die geplanten Neuausrichtungsabsichten heftig und bemängelte, dass es ohne eine Neufassung des Pflegebedürftigkeitsbegriffes keine vernünftige Pflegereform gebe. Es sei bezeichnend, dass nahezu alle mit der Pflege befassten Institutionen die Neuordnungsabsichten als völlig unzureichend ansähen und erheblich weitergehendere Veränderungen einforderten. Es seien auch mehr Finanzmittel für die allseits gewünschte gute Pflege erforderlich. Da Pflege in der Familie vornehmlich Frauensache sei, müsse auch die Pflege – ähnlich den Kindererziehungszeiten – umfänglicher auf die Rentenzeit angerechnet werden.

Regina Schmidt-Zadel konnte sich der Kritik an den bescheidenen Reformabsichten der Regierungskoalition nur anschließen. Sie plädierte ebenfalls für deutlich bessere Pflege-Rahmenbedingungen, jetzt und nicht später. Dabei machte sie auch auf die Schaffung einer soliden Finanzierungsgrundlage aufmerksam und brachte die beachtlichen Finanzreserven der Privaten Krankenversicherung ins Spiel.

Brigitte Bührlen wies in ihrem Abschlussstatement darauf hin, dass eine vernünftige Neuausrichtung der Pflegeversicherung endlich die allseits gewünschten Verbesserungen für die (pflegenden) Angehörigen bieten müsse. Diese Personengruppe, die den größten Anteil an der pflegerischen Versorgung habe, müsse umfassend in ihrer Rolle als „größter Pflegedienst der Nation“ gestärkt werden. Brigitte Bührlen umschrieb den dringenden Handlungsbedarf auch so: „Die Hütte brennt jetzt schon“. Nach den gegebenen Pflege-Rahmenbedingungen zu urteilen, seien wir eine Art „Entwicklungsland“.

Werner Schell hatte sich als Moderator mehrfach mit Kurzstatements eingeblendet und ausgeführt, dass die unzureichenden Stellenschlüssel in der Heimpflege in erster Linie dafür verantwortlich seien, dass es nahezu uneingeschränkt Klagen über Pflegemängel gebe. Der erst kürzlich vorgelegte 3. MDS-Pflegequalitätsbericht belege das eindrucksvoll. Verbesserungen im Pflegesystem seien ohne deutlich mehr Personal nicht möglich. Insoweit sei zur Verdeutlichung der Mangelzustände ein bundeseinheitlich geltendes Personalbemessungssystem erforderlich. Pro Pflege – Selbsthilfenetzwerk sehe daher neben der Stärkung der Angehörigen, von Brigitte Bührlen deutlich angesprochen, die Beseitigung des Pflegenotstandes in den Pflegeeinrichtungen als entscheidend an.

Den verschiedenen Statements folgte eine rege Diskussion. Die von den Referenten angesprochenen Themen wurden hinterfragt und mit allseitiger großer Kompetenz vertiefend diskutiert. Am Ende der Veranstaltung wurde klar, dass vielfältige Fragestellungen nicht abschließend behandelt werden konnten und letztlich die Hoffnung darauf gesetzt werden muss, dass der Deutsche Bundestag doch noch bessere Erkenntnisse gewinnt und sich zu einer grundlegenden Reform, wie sie in Fachkreisen mehrheitlich gefordert wird, durchringen kann.

Auf das umfängliche Statement von Pro Pflege - Selbsthilfenetzwerk vom 02.04.2012 mit der Titelung „Pflege-Neuausrichtungs-Gesetz (PNG) ein grandioser Flop“ darf verwiesen werden – siehe insoweit im Internet unter folgenden Adressen hier (PDF) bzw. hier.

Ausblick: Der nächste große Pflegetreff wird am 14.11.2012, 15.00 - 17.00 Uhr, Kontakt Neuss-Erfttal, stattfinden. Themen (geplant): Medizinische Versorgung (Arztbesuche zu Hause und im Heim), Medikamente für ältere pflegebedürftige Menschen (zuviele, Wechselwirkungen?), Fixierungen (auch mittels Psychopharmaka), Weiterbildung zur Krankheit Demenz und Palliativversorgung. Näheres im Internet unter folgender Adresse (stets aktuell): Pflegetreff am 14.11.2012 - Medizinische Versorgung ... .

Werner Schell
Dozent für Pflegerecht, Vorstand von Pro Pflege – Selbsthilfenetzwerk

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Die vorstehende Pressemitteilung ist zur Veröffentlichung frei
und steht hier als pdf-Datei zur Verfügung